EU-Parlament ehrt Jesidinnen mit Menschenrechts-Preis

27.10.2016 17:51

Im Irak wurden die beiden Frauen vor ihrer Flucht bis nach
Baden-Württemberg versklavt. In Europa erheben sie nun ihre Stimmen
gegen die Grausamkeiten der Terrormiliz Islamischer Staat - dafür
bekommen sie prominente Unterstützung.

Straßburg (dpa/lsw) - Die Jesidinnen Nadia Murad und Lamija Adschi
Baschar werden vom EU-Parlament mit dem renommierten Sacharow-Preis
ausgezeichnet. Parlamentspräsident Martin Schulz verkündete die
Auswahl am Donnerstag während der Plenarsitzung in Straßburg. «Das
ist eine sehr symbolische Entscheidung», sagte er anschließend. Die
beiden irakischen Frauen wurden von der Terrormiliz Islamischer Staat
(IS) versklavt und leben heute in Baden-Württemberg.

Die frisch gekürte Trägerin des Sacharow-Preises sieht ihre
Auszeichnung als ein kraftvolles Signal an die Terrormiliz
Islamischer Staat (IS). «Die Anerkennung des Leidens der jesidischen
Frauen und des jesidischen Volkes ist eine starke Botschaft an die
Terrormiliz IS, dass ihre kriminelle Unmenschlichkeit verurteilt
wird», teilte Murad mit.

Die extremistischen Sunniten hassen die Jesiden. Sie beschimpfen die
Religionsgemeinschaft, die eine Ursprungsreligion der Kurden ist, als
«Teufelsanbeter». Weltweit gibt es rund eine Million Jesiden.

Derzeit sollen noch rund 3200 Frauen und Kinder in den Fängen der
Terrormiliz sein. Murad und Baschar gelang die Flucht. Sie versuchen
jetzt, Verbündete im Kampf gegen die Versklavung ihrer
Glaubensschwestern durch den IS zu gewinnen.

Die Frauen teilten eine schmerzliche und tragische Geschichte,
begründete Schulz die Auszeichnung. Beide hätten mit ansehen müssen,

wie ihre engsten Familienmitglieder vor ihren Augen vergewaltigt
wurden. Beide seien als Sexsklaven ausgenutzt worden.

«Aber ihre tragischen Geschichten endeten nicht dort», sagte Schulz.
«Sie haben gekämpft, weil sie das Gefühl hatten, überleben zu müs
sen»
und seien zu Stimmen der zahlreichen Opfer des Menschenhandels
geworden. In diesem Kampf wolle das Parlament sie unterstützen.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne)
sagte, die beiden Jesidinnen ergriffen mit unglaublichem Mut eine
starke Stimme, um die Gräueltaten des IS anzuprangern. «Wir freuen
uns sehr, dass ihr unermüdlicher Einsatz nun mit dem Sacharow-Preis
für geistige Freiheit gewürdigt wird. Damit rücken die grausamen
Taten noch weiter ins öffentliche Bewusstsein», sagte Kretschmann.
«Wir müssen international zusammen stehen, um den vom «Islamischen
Staat» versklavten und gefolterten Frauen und Mädchen eine neue
Heimat in Sicherheit zu ermöglichen.» Eine solche Auszeichnung sende
hierfür wichtige Zeichen an die internationale Gemeinschaft.

Murad kam 2015 im Rahmen eines Sonderkontingentes der
baden-württembergischen Landesregierung nach Deutschland. Sie war im
September auch zur UN-Sonderbotschafterin für Opfer des
Menschenhandels ernannt worden. Baschar bekam nach Angaben des
Staatsministeriums 2016 ein Visum zur medizinischen Behandlung in
Deutschland. Beide Frauen leben an geheimen Orten.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) gratulierte: «Zwei besonders
mutige Kämpferinnen gegen den brutalen Terror des IS.» Die
Vorsitzende der Grünen, Simone Peters, nannte die Entscheidung
«weitsichtig». Die Diskriminierung und Verfolgung wegen religiöser
Zugehörigkeit sei zu ächten.

Mit dem Sacharow-Preis ehrt das Europaparlament seit 1988 Menschen
oder Organisationen, die sich für Menschenrechte und Grundfreiheiten
einsetzen. Im vergangenen Jahr ging die Auszeichnung an den
saudischen Blogger Raif Badawi. Verliehen wird der Preis, der mit 50
000 Euro dotiert ist, am 14. Dezember.