Bedrohte Budapester Top-Uni: Orban lässt kein Einlenken erkennen Von Gregor Mayer, dpa

01.05.2017 16:07

Gerät er unter Druck, versteht sich Ungarns starker Mann aufs
Lavieren. Den Parteifreunden von der EVP sichert Orban zu, sich an
EU-Vorgaben zu halten. In Budapest geißelt er hingegen die «Diktate»

aus Brüssel.

Brüssel/Budapest (dpa) - Angesichts der drohenden Schließung der
US-geführten Central European University (CEU) in Budapest lässt
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban nach wie vor kein Einlenken
erkennen. Nach zum Teil kontroversen Gesprächen in Brüssel sagte der
rechtskonservative Politiker am Samstag zu ungarischen Journalisten:
«Niemand kann Ungarn irgendwelche Bedingungen diktieren.» Ungarn
werde die CEU-Frage mit der EU-Kommission «in den kommenden Monaten»

diskutieren und die daraus resultierenden Vereinbarungen umsetzen.
Auch Orbans Kabinettschef Antal Rogan gab sich unnachgiebig.

Orban Regierungsmehrheit im Parlament hatte Anfang April ein neues
Hochschulgesetz beschlossen, das die weit über die Grenzen Ungarns
hinaus angesehene CEU mit der Schließung bedroht. Weltweit hatten es
Tausende Wissenschaftler, aber auch die deutsche Bundesregierung
kritisiert. Die EU-Kommission hatte am Mittwoch ein
Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn wegen mutmaßlicher
Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit eingeleitet.

Am Samstag traf Orban in Brüssel mit Spitzenvertretern der
konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) zusammen. Orbans
Fidesz-Partei gehört der EVP an. Die «Lex CEU» war auch von der EVP
kritisiert worden. Deren Vertreter gaben sich nach dem Gespräch mit
Orban zuversichtlich. EVP-Präsident Joseph Daul erklärte, Orban habe

zugesichert, alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um den
Forderungen der Kommission nachzukommen. «Wir werden nicht
akzeptieren, dass grundlegende Freiheiten eingeschränkt oder die
Herrschaft des Rechts missachtet wird.»

In Budapest war hingegen von konkreten Zusicherungen wenig zu hören.
«Ungarn behält sich das Recht vor, in bestimmten Fragen divergierende
oder auch ganz andere Standpunkte zu vertreten (als die
EU-Kommission)», sagte Orbans Kabinettschef Rogan am Sonntag im
staatlichen Rundfunk. «Wenn es sein muss, lassen wir uns auch auf
rechtliche Verfahren ein», fügte er hinzu.

Tatsächlich bedeutet die Zusicherung Orbans, sich am Ende dem Ausgang
eines EU-Vertragsverletzungsverfahrens zu beugen, in der
CEU-Angelegenheit wenig. Verfahren dieser Art können mehrere Jahre
dauern. Das neue Hochschulgesetz ist aber so formuliert, dass die CEU
bis zum 1. Januar 2018 neuen, für sie unerfüllbaren Auflagen genügen

muss. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die an dem
EVP-Treffen mit Orban teilnahm, reagierte zurückhaltend: «Für mich
zählt, was dann die tatsächlichen Ergebnisse sind.»

Die CEU wurde 1991 von dem aus Ungarn stammenden US-Milliardär George
Soros gegründet. Orban, der eine «illiberale Demokratie» errichten
will, sieht in ihm den Kopf einer «Hintergrundmacht», die die
europäischen Nationalstaaten ihres «christlichen und nationalen
Charakters» berauben und mit «illegalen Migranten» überschwemmen
will. In Wirklichkeit unterstützt Soros Initiativen, Bewegungen und
Persönlichkeiten, die für eine offene Gesellschaft und gegen
autokratische Tendenzen eintreten.

Die Budapester Regierung führt die Kritik der EU-Institutionen an
ihren Maßnahmen auf die angebliche Einflussnahme von Soros zurück.
«Gewiss gibt es europäische Bürokraten und Politiker, die offen die
Ansichten von George Soros und die Interessen von George Soros
vertreten», sagte Kabinettschef Rogan in dem Interview am Sonntag.

Für Empörung in Brüssel sorgte auch eine von Orban initiierte
Fragebogen-Aktion unter dem Titel «Stoppt Brüssel». EVP-Fraktionschef

Manfred Weber (CSU) nannte die Vorgänge in Ungarn «nicht akzeptabel».

Die «offene Anti-EU-Rhetorik» der Kampagne «Stoppt Brüssel» sei
nicht
hinnehmbar. Man erwarte nun, dass die ungarische Regierung die Kritik
ernst nehme. Deshalb müsse man aber auch im Gespräch bleiben. Ein
Ausschluss von Orbans Fidesz-Partei aus der EVP-Parteienfamilie sei
bei den Gesprächen kein Thema gewesen, fügte Weber hinzu. Zuletzt
hatten einige EVP-Vertreter aus den Benelux-Staaten dies gefordert.