Brexit-Verhandlungen sollen am Montag beginnen

15.06.2017 20:27

Raus aus der EU, den Neustart wagen - so haben sich das viele
britische Wähler beim Referendum gedacht. Doch ein knappes Jahr
später haben nicht einmal die Austrittsgespräche begonnen. Das soll
sich nun ändern.

Brüssel (dpa) - Die EU und Großbritannien haben sich offiziell auf
einen Auftakt der Brexit-Verhandlungen am Montag festgelegt. Dies
teilten der EU-Unterhändler Michel Barnier und der zuständige
britische Minister David Davis am Donnerstag mit. Damit bleibt es bei
dem schon vor Wochen angepeilten Termin, obwohl sich die
Regierungsbildung in Großbritannien verzögert.

Fast genau ein Jahr nach dem Votum der Briten für den EU-Austritt
beraten beide Seiten nun erstmals offiziell über die Bedingungen der
Trennung. Schon für die erste Verhandlungsrunde haben sich Barnier
und Davis den ganzen Montag freigehalten. Denn die Zeit drängt. Bis
März 2019 muss man einen Vertrag unter Dach und Fach haben - genau
zwei Jahre nach dem Austrittsgesuch von Premierministerin Theresa
May.

Die EU will zunächst über Garantien für die EU-Bürger in
Großbritannien, über die Schlussrechnung nach mehr als 40 Jahren
EU-Mitgliedschaft und über die künftige Grenze zwischen Irland und
Nordirland sprechen. Großbritannien will sofort auch über die
künftigen Beziehungen und ein ambitioniertes Freihandelsabkommen
reden - so hatte es May im März in ihrem Scheidungsantrag
angekündigt.

Die Konservative hatte aber bei der Wahl ihre absolute Mehrheit im
Parlament verloren und ringt derzeit um die Bildung einer
Minderheitsregierung. Zuletzt wurde darüber spekuliert, dass sie ihre
Linie beim Brexit etwas aufweichen könnte.

So deutete sich an, dass sie der EU-Seite zum Beginn der
Verhandlungen in einem wichtigen Punkt entgegenkommen könnte. Nach
einem Bericht der Zeitung «Telegraph» (Donnerstag) erwägt sie,
EU-Bürgern in Großbritannien auch nach dem Austritt des Landes
weitreichende Rechte zu gewähren. Sie könnten demnach zum Beispiel
Ehepartner aus Nicht-EU-Staaten ins Land bringen.

Für beide Seiten stehen die Rechte der 3,2 Millionen EU-Bürger in
Großbritannien sowie der 1,2 Millionen Briten auf dem Kontinent an
erster Stelle. Eigentlich wollte Großbritannien mit dem EU-Austritt
auch die Einwanderung begrenzen. Dafür nahm May in Kauf, aus dem
EU-Binnenmarkt auszutreten. Denn Bedingung für den Zugang ist die
Freizügigkeit der Bürger.

Insbesondere Großbritannien steht bei den Gesprächen unter starkem
Zeitdruck. Eine Verlängerung der Verhandlungen ist nur möglich, wenn
alle EU-Staaten zustimmen. Gibt es keine Vereinbarung, kommt es zu
einem ungeordneten Austritt mit große Risiken vor allem für Handel
und Wirtschaft.

Die Aufgabe für die Unterhändler ist riesig. Schließlich muss eine
neue Grundlage für die Beziehungen zwischen dem Kontinent und dem
bislang eng mit ihm verflochtenen Großbritannien geschaffen werden.
Erwartet werden hochkomplizierte rechtliche Debatten über Tausende
von Einzelfragen.

Der liberale Abgeordnete Alistair Carmichael zweifelt daran, dass die
britische Regierung für die Brexit-Gespräche bereit ist. Die
Regierung schaffe es ja noch nicht einmal, eine Vereinbarung mit
ihrem gewünschten Regierungspartner DUP zu treffen. «Wie soll sie
dann einen Deal mit der EU machen», fragte Carmichael. Er forderte
ein parteiübergreifendes Komitee für die Austrittsverhandlungen.

Ein wichtiger Streitpunkt dürfte die Schlussrechnung werden, die
Brüssel London präsentiert. Die EU verlangt den britischen Anteil für

Finanzentscheidungen, die man gemeinsam getroffen hat, vor allem für
den EU-Haushalt, gemeinsame Fonds und Pensionslasten. Inoffizielle
Berechnungen gehen von 100 Milliarden Euro oder mehr aus. Die
britische Regierung hält derlei Beträge für völlig überzogen.