Kein «Öxit»: Österreichs neue Regierung bekennt sich zu EU

16.12.2017 17:40

Sieben Wochen wurde verhandelt - nun steht die Koalition von
Konservativen und Rechtspopulisten in Österreich. Die Parteien wollen
Verkrustungen im System aufbrechen und Steuern senken. Die
Mitgliedschaft in der EU soll weiterhin fest verankert sein.

Wien (dpa) - Österreichs neue Koalition aus Konservativen und
Rechtspopulisten hat in ihrem Regierungsprogramm ein klares
Bekenntnis zur EU festgelegt. An der Mitgliedschaft des Landes in der
Europäischen Union und in anderen internationalen Organisationen
dürfe nicht gerüttelt werden. Volksabstimmungen zu dem Thema sind in
den kommenden fünf Jahren nicht erlaubt. Auch wenn die direkte
Demokratie in allen anderen Bereichen gestärkt werden soll. «Nur in
einem starken Europa kann es auch ein starkes Österreich geben, in
dem wir in der Lage sind, die Chancen des 21. Jahrhunderts zu
nutzen», heißt es im Vorwort des Programms von konservativer ÖVP und

rechter FPÖ, das am Samstag vorgelegt wurde.

Nach siebenwöchigen Verhandlungen hatten sich ÖVP und FPÖ am späten

Freitagabend auf einen über 180 Seiten starken Koalitionspakt für die
kommenden fünf Jahre geeinigt. Die Parteigremien segneten den Pakt
einstimmig ab. ÖVP-Chef Sebastian Kurz wird damit in wenigen Tagen
mit 31 Jahren Europas jüngster Regierungschef. Die Regierung soll am
Montag vereidigt werden. 

Die rechte FPÖ übernimmt das Außen-, das Innen- und das
Verteidigungsministerium. Die 52-jährige Nahostexpertin Karin Kneissl
werde Außenministerin, sagte Parteichef Heinz-Christian Strache am
Samstag in Wien. Sie ist nicht Mitglied der FPÖ. «Damit setzen wir
die Tradition der unabhängigen Außenminister fort», sagte Strache.
Innenminister wird der bisherige FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl.
Das Verteidigungsministerium übernimmt der 41-jährige Mario
Kunasek. Strache selbst wird in der neuen Koalition Vizekanzler und
Sportminister.

Der ehemalige Rechnungshof-Präsident Josef Moser geht als
Unabhängiger für die Konservativen auf die Regierungsbank. Er wird
Justiz- und Reformminister. Die Kurz-Vertraute Elisabeth Köstinger
wird nur wenige Wochen nach ihrer Wahl zur Parlamentspräsidentin
Landwirtschaftsministerin. Der ehemalige FPÖ-Präsidentschaftsanwärter

Norbert Hofer übernimmt das Infrastrukturministerium.

ÖVP und FPÖ wollen die illegale Migration stoppen und Asylverfahren
beschleunigen. Außerdem sollen 2100 zusätzliche Polizisten
eingestellt werden. Weiter planen die beiden Parteien einen
Bürokratieabbau. Für Arbeitnehmer sollen flexiblere Arbeitszeiten
gelten. Dafür soll die Steuerlast in den kommenden Jahren gesenkt und
Familien mit einem Steuerbonus entlastet werden. Nach 40 Jahren im
Beruf soll für Niedrigverdiener eine Mindestrente von 1200 Euro
gelten.

Kurz bezeichnete die Zusammenarbeit mit dem künftigen
Koalitionspartner als besonders positiv. «Wir haben den Willen bei
der FPÖ gespürt, eine echte Veränderung im Land einzuleiten», sagte

Kurz bei der Präsentation des Programms in Wien.

Das klare Nein zu einem «Öxit» war ausdrücklicher Wunsch der
Volkspartei. Die Rechtspopulisten hätten sich eine Bürgerbefragung zu
dem Thema durchaus vorstellen können. «Das muss man auch akzeptieren,
dass es eine Partnerschaft gibt, wo jeder seine Position hat», sagte
der FPÖ-Vorsitzende Strache.

Die Regierung selbst hat sich eine Nulllohnrunde und einen
respektvollen Umgang miteinander verordnet. Nach außen soll das
Bündnis durch einen neu eingeführten Regierungssprecher vertreten
werden.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen will nach eigenen Aussagen
vor der geplanten Vereidigung Anfang kommender Woche alle
vorgeschlagenen Minister noch persönlich kennenlernen. Er hat die
Befugnis, einzelne Minister abzulehnen. Van der Bellen sagte, dass
der Vereidigung aber wohl «nichts im Wege» stehe. Früher hatte er
sich deutlich kritischer über eine Regierungsbeteiligung der
Rechtspopulisten geäußert.