Brüssel will härtere Steuerregeln für Internet-Riesen

21.03.2018 13:56

Digitalfirmen zahlen nach Angaben der EU-Kommission im Schnitt
deutlich weniger Steuern als herkömmliche Industriebetriebe. Die
Brüsseler Behörde will nun die Daumenschrauben anziehen. Doch es gibt
große Fragezeichen.

Brüssel (dpa) - Internetkonzerne wie Google und Facebook sollen nach
dem Willen der EU-Kommission in Zukunft deutlich mehr Steuern in
Europa zahlen. Künftig sollen Abgaben in erster Linie dort fällig
werden, wo die Nutzer sitzen und wo Online-Erträge entstehen, teilte
die Brüsseler Behörde am Mittwoch mit. Die EU-Staaten müssten den
Vorstößen aber noch zustimmen, damit sie in Kraft treten können.

Die EU-Kommission und auch eine Reihe von EU-Staaten stoßen sich seit
geraumer Zeit daran, dass Digitalkonzerne wie Google und Facebook in
Europa erhebliche Umsätze und Gewinne verbuchen, aber nur wenig
Steuern zahlen, da sie in den meisten Ländern keine versteuerbaren
Firmensitze haben. Zudem bündeln sie ihre Aktivitäten in Ländern mit

niedrigen Steuersätzen. Facebook hat sein internationales
Hauptquartier etwa in Irland.

Die Brüsseler Behörde fordert nun zum einen neue
Körperschaftssteuer-Regeln in Europa. Damit soll es EU-Staaten
möglich werden, Gewinne, die bei ihnen erwirtschaftet werden, auch
ohne physische Präsenz eines Unternehmens zu besteuern. Im
Steuersystem sollen dazu «digitale Betriebsstätten» eingeführt
werden. Sobald eine Firma in einem Land etwa mehr als 100 000
Online-Nutzer verzeichnet oder in einem Jahr mehr als sieben
Millionen Euro erwirtschaftet, gilt sie als digital präsent und
müsste eine Steuererklärung abgeben.

Eine Reihe von Ländern - darunter Deutschland und Frankreich - hatten
von Brüssel jedoch noch andere Maßnahmen gefordert. Kurzfristig
sollen daher für Unternehmen mit einem weltweiten Jahresumsatz von
mindestens 750 Millionen Euro sowie einem Online-Umsatz von 50
Millionen Euro innerhalb der EU drei Prozent Ertragssteuer fällig
werden.

Die Abgabe soll ebenfalls in dem Land erfolgen, in dem die Nutzer
sitzen. Damit sollen unter anderem die Erträge aus dem Verkauf
personalisierter Werbeflächen sowie aus dem Verkauf von Nutzerdaten
erfasst werden. Schätzungen zufolge könnten damit fünf Milliarden
Euro mehr pro Jahr in die öffentlichen Kassen in Europa fließen.

«Unsere Vorschriften aus der Vor-Internet-Ära erlauben es den
Mitgliedstaaten nicht, in Europa tätige Digitalunternehmen zu
besteuern, wenn diese hier nur eine geringe oder keine physische
Präsenz aufweisen», sagte EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici.
Im Schnitt zahlen klassische Industriebetriebe demnach etwa 23
Prozent Steuern, bei Digitalunternehmen sind es lediglich 9 Prozent.

Das Bundesfinanzministerium begrüßte die Vorschläge, wie ein Sprecher

in Berlin sagte. «Gleichzeitig verfolgen wir weiter eine breite
internationale Abstimmung.» Auf G20-Ebene der wichtigsten
Wirtschaftsmächte gab es bislang keinen Konsens, vor allem aus
den USA gibt es Widerstand. «Deswegen müssen wir auf EU-Ebene
vorankommen.» Dies gilt allerdings als fraglich. Die EU-Steuerpolitik
ist ein Minenfeld, da alle Staaten zustimmen müssen.

Auch im Europaparlament wurden die Ideen positiv aufgenommen. «Wir
brauchen ein Unternehmenssteuerrecht, das den Herausforderungen des
21. Jahrhunderts gerecht wird», sagte der CSU-Finanzexperte Markus
Ferber. «Kein Steuerfreifahrtschein mehr für Google, Facebook und
Co», meinte der SPD-Europaabgeordnete Peter Simon.

«Die Sondersteuer auf Umsätze der Digitalkonzerne ist keine
Dauerlösung. Findige Steuerberater werden die schwierige Abgrenzung
digitaler Umsätze von sonstigen Einnahmen ausnutzen und virtuelle
Geschäfte außerhalb der Europäischen Union abwickeln. Um
Steuerumgehung wirksam zu unterbinden, müssen wir den Begriff der
steuerlichen Betriebsstätte an das digitale Zeitalter anpassen»,
sagte der Grünen-Abgeordnete Sven Giegold.